Das Praxis-Test-Team bei DIAS

Letzte Änderung: 11/2019

Im Rahmen des Projekts „Team Usability“ beschäftigt DIAS ein internes Praxis-Test-Team. Zurzeit besteht es aus einem blinden Tester und seiner sehenden Assistenz. Das Zweier-Team untersucht die Barrierefreiheit und Nutzbarkeit digitaler Angebote anhand bestehender und neuer Prüfverfahren, beobachtet und analysiert die Zusammenarbeit und erarbeitet Methoden für das Testen in dieser Team-Konstellation. Die Methoden werden auf praxis-tests.de veröffentlicht, damit vergleichbare Teams davon lernen können. Im Moment kommt der BITV-Test zum Einsatz. Später soll die Zusammenarbeit auf der Basis eines neu entwickelten Prüfverfahrens erprobt werden, einem Barrierefreiheits-Test für mobile Apps.

Das Team

Seit dem 1. April 2019 bilden Emanuel Helms (blind) und Solveig Westphalen (sehend) ein internes Praxis-Test-Team des Projekts „Team Usability“. Helms ist ausgebildeter Fachinformatiker mit dem Schwerpunkt Anwendungsentwicklung. Westphalen bringt Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderungen in das Team ein und agiert als sehende Assistenz.

Emanuel Helms und Solveig Westphalen, vor einem Bildschirm sitzend

Anwendungsfall BITV-Test

Seit April arbeitet sich das Zweier-Team in die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1 und den darauf aufbauenden BITV-Test ein. Der BITV-Test ist ein Prüfverfahren für die umfassende Prüfung der Barrierefreiheit von Webangeboten, das seit 2005 in Anwendung ist und fortlaufend überarbeitet wird. Aktuelle rechtliche Grundlage für den BITV-Test ist die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) 2.0 vom 21. Mai 2019. Der BITV-Test umfasst 60 Prüfschritte. Das interne Praxis-Test-Team wird von den Kolleg*innen des internen DIAS-Teams unterstützt, insbesondere durch die Accessibility-Experten und langjährigen BITV-Test-Prüfer*innen Detlev Fischer und Sonja Weckenmann.

Helms und Westphalen wenden den BITV-Test ganz praktisch für die Bewertung verschiedener Webangebote an. Sie analysieren im Rahmen dieser Praxis, welche Prüfschritte der Screenreader-Nutzer selbständig prüfen und dokumentieren kann und für welche er die Unterstützung seiner sehenden Assistenz braucht. Eine Fragestellung ist auch, wie die Assistenz-Zeit am effizientesten genutzt werden kann.

Erste Erfahrungen

Seit dem Start des internen Praxis-Test-Teams sind einige Monate vergangen, sodass sich ein Blick auf die ersten Erfahrungen lohnt.

Die Einarbeitung in die 60 Prüfschritte verlangt von dem Team einiges an Geduld und Durchhaltevermögen. Es ist eine arbeitsintensive Aufgabe. Auch nach mehreren abgeschlossenen BITV-Tests müssen Details noch in den Prüfschritt-Beschreibungen nachgeschlagen oder mit den Prüf-Experten besprochen werden. Des Weiteren muss auch das Team zueinander finden, sich organisieren und die Arbeitsweisen aufeinander abstimmen.

Es zeigt sich bei mehr Prüfschritten als erwartet, dass eine Unterstützung durch eine sehende Assistenz, wenn auch oftmals nur kurzzeitig, notwendig ist. Dies ist bei etwa der Hälfte der 60 Prüfschritte der Fall. Unter anderem betrifft dies Bildbeschreibungen, Fokusreihenfolge und Kontrastmessungen. Um korrekte Ergebnisse zu erhalten, muss die Assistenz daher mit einigen Prüfwerkzeugen vertraut gemacht werden, die nur visuell nutzbar sind, etwa den „Colour Contrast Analyzer“ für die Messung der Kontrastverhältnisse. Für den blinden Prüfer meist unproblematisch sind dagegen beispielsweise die Prüfschritte 1.3.1 „Informationen und Beziehungen“, 1.3.5 „Zweck von Eingaben bestimmen“ und 2.4.5 „Alternative Zugangswege“.

Es hat sich als hilfreich herausgestellt, wenn das Team gerade am Anfang die Prüfschritte gemeinsam an einem Arbeitsplatz durchführt. So erhält die Arbeitsassistenz einen besseren Eindruck und Überblick über die Tätigkeiten. Fragen können dadurch oft unmittelbar und anschaulich geklärt werden. In der Praxis profitiert auch der blinde Experte durch den direkten Austausch. So kann er auf visuelle Besonderheiten oder auf spezielles Verhalten bei der Tastatur- oder Mausbedienung aufmerksam gemacht werden. Wenn die Prüfung eines Webangebots abgeschlossen ist, werden die Ergebnisse schließlich mit den erfahrenen Kolleg*innen besprochen, reflektiert und dokumentiert.

Zusammenfassend lassen sich bereits erste Empfehlungen ableiten:

  • Es ist von Vorteil, wenn die Assistenz ein gewisses Interesse für die Technik hinter modernen Web-Angeboten mitbringt. Die Bedienung von Web-Browsern auf Desktop- und mobilen Touch-Geräten muss von der Assistenz beherrscht werden.
  • Die Einarbeitungsphase für ein vergleichbares Praxis-Test-Team sollte nicht zu kurz angesetzt werden. Das Lernen der Theorie und der Abgleich der Prüfpraxis benötigen Zeit.
  • Für viele der Prüfschritte ist eine Unterstützung durch eine sehende Assistenz nötig. Empfehlenswert ist es, diese anfangs gemeinsam an einem Arbeitsplatz durchzuführen.
  • Dadurch hat auch das Verhältnis von Assistenzstunden und Arbeitszeit einen Einfluss auf die Fortschritte des Teams: Wer, wie das Praxis-Test-Team bei DIAS, ein Verhältnis von 2:1 hat, muss sich gut organisieren. Ein höherer Anteil von Assistenzstunden würde ein flexibleres, schnelleres Arbeiten zulassen.
  • Es kristallisieren sich aber auch Aufgaben heraus, die in Zukunft parallel bearbeitet werden können: So können beispielweise Kontrastmessungen durch die sehende Assistenz durchgeführt werden, während der blinde Prüfer bereits einen anderen Prüfschritt bearbeitet.

Für weitere Informationen, Fragen und Anregungen wenden Sie sich gerne an Emanuel Helms unter helms@dias.de.